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40 Mal durch die „grüne Hölle“ - Ein Rekord für die Ewigkeit
Das Int. ADAC 24h-Rennen auf dem Nürburgring feiert sein 40. Jubiläum - und Uwe Reich seinen 40. Start

Es ist egal, ob man das Solinger Büro oder die Privatwohnung von Uwe Reich in Lohmar betritt, man fühlt sich sofort an den Beginn einer Zeitreise versetzt, die dem Besuch eines Motorsportmuseums gleich kommt. In den Regalen stapeln sich unzählige Pokale und an den Wänden reiht sich eine Urkunde an die andere. „Tja, ich habe in meiner langen Karriere bestimmt so an die 1.500 Rennen bestritten“, erklärt der 71-jährige Renn-Oldie vom AMC Duisburg mit einem breiten Grinsen. „Da ist halt einiges zusammengekommen ...“.

Dabei hat Reich relativ spät mit dem Motorsport begonnen. Erst 1969 mit fast 30 Jahren nahm der gebürtige Braunschweiger an den ersten Gleichmäßigkeitsprüfungen und Bergrennen teil, um die internationale Motorsport-Lizenz zu erwerben. „Ich bin damals auf einem Alfa Romeo Giulia Super 1600 gefahren“, erinnert er sich. „Aber die Bergrennen waren nichts für mich. Zwei Minuten fahren und dann wieder stundenlang bis zum nächsten Start warten - ich wollte einfach mehr Zeit hinter dem Lenkrad verbringen.“ Was dann im Jahr 1970 folgte, war der Beginn einer Geschichte, die bis heute ihresgleichen sucht. Wie bei vielen anderen Motorsportlern, so übte der Nürburgring schon damals auch auf Reich eine einzigartige Faszination aus. Als der ADAC-Gau Nordrhein sich 1970 dazu entschloss, ein Rennen zweimal rund um die Uhr auf der legendären Nordschleife auszurichten, war der Steuerberater sofort dabei. Bereits in den vorangegangenen drei Jahren hatte es auf dem damals 22,835 km langen Kurs 24-Stunden-Veranstaltungen gegeben, doch wurden diese hatten noch den Charakter von Rallyes oder wurden als Gleichmäßigkeitsfahrten mit Zwangsstopps ausgetragen. Jetzt aber sollte es erstmals Tag und Nacht nonstop im Renntempo über die anspruchsvolle Berg-und-Tal-Bahn in der Eifel gehen.

„Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie Du beim ersten 24h-Rennen am Nürburgring teilgenommen hast“, schrieb Peter Geishecker, der genau wie Reich schon damals von dem Bazillus Motorsport infiziert war und der Veranstaltung bis heute als Organisationsleiter treu geblieben ist, dem Jubilar in einem Brief anlässlich des 30. Starts im Jahr 2002. „Du warst schon damals der Meinung, dass man bei so einer Veranstaltung wenigstens genug fahren kann. Die Nordschleife wurde Dein Zuhause und Du hast nie eine Veranstaltung ausgelassen!“ Der Wunsch, genug zum Fahren zu kommen, blieb für Uwe Reich jedoch zunächst unerfüllt, denn leider machte ihm vor allem in den Anfangsjahren nur all zu oft die Technik einen Strich durch die Rechnung. Der Routinier erinnert sich: „Das Reglement erlaubte damals nur Gruppe 2-Fahrzeugen den Start und da jede Werksbeteiligung fehlte, konnten Tuner sowie reine Privatiers noch den Sieg unter sich ausmachen. Leider ist der Ford Capri, den ich mir mit Manfred Herbertz teilte, schon im freien Training ausgefallen, so dass ich nur zuschauen konnte, wie „Strietzel“ Stuck und Clemens Schickentanz mit ihrem Koepchen-BMW 2002ti am 28. Juni 1970 bei strömendem Regen zu ihrem ersten 24-Stunden-Sieg fuhren.“


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Auch in den folgenden Jahren sollte es Reich nicht viel besser gehen. 1972 drehte das Duo mit dem bulligen V6-Capri zwar erstmals auch im Rennen schnelle Runden über die Nordschleife, doch dann bedeutete ein irreparabler Schaden an der Hinterradaufhängung das vorzeitige Aus für den von der Renngemeinschaft des MSC Langenfeld eingesetzten Tourenwagen. 1973 fand der Steuerberater in Karl Fraund einen neuen Partner, mit dem er den einzigen Volkswagen 1302 S im Starterfeld einsetzte. Doch auch der Käfer erreichte nicht das Ziel, sondern taucht leider nur mit dem Vermerk DNF (did not finish) in der Wertungsliste auf, die Uwe Reich noch heute in seinem umfassenden Archiv aufbewahrt.

In den Jahren 1974 und 1975 mussten die Motorsportler eine Zwangspause einlegen, denn die durch den Jom-Kippur-Krieg im vorangegangenen Herbst ausgelöste Ölkrise hatte Europa fest in ihrem Griff. Während in der Formel 1 der Brasilianer Emerson Fittipaldi zum WM-Titel fuhr, wurde in Deutschland das Sonntags-Fahrverbot eingeführt und an eine Veranstaltung wie das 24h-Rennen war da seitens des ADAC nicht zu denken. Doch 1976 meldete sich Uwe Reich um so eindrucksvoller auf der Langstrecke zurück. Mit einer von Toyota-Lackmann in Velbert vorbereiteten Gruppe 1-Celica GT, die das Mitglied des MSC Langenfeld sich mit seinem Club-Kameraden Friedhelm Mantz sowie dem Kölner Karl-Heinz Schäfer teilte, überquerte Reich nach 123 Runden und einer gefahrenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 113,120 km/h nach 24:08:28,4 Stunden die Ziellinie. Das bedeutete nicht nur den Sieg in der Klasse bis 1600 ccm sondern auch einen herausragenden 7. Platz im Gesamtklassement der mehr als 100 Starter.

Von diesem Erfolg beflügelt, pilotierte der „schnellste Steuerberater Deutschlands“, wie Reich auch heute noch oft in den Medien genannt wird, in den Folgejahren auf dem Nürburgring praktisch alles was Räder hat. Ein Renault R5 (mit Robert Wolf) gehörte ebenso zu seinen Einsatzfahrzeugen wie diverse Ford Escort (u.a. mit Axel Felder, Peter Döring, Fritz Friebel, Herbert Paffen, Hartmut Bauer und Altfried Heger). „Wenn ich mich heute zurückerinnere, fällt mir beispielsweise das Jahr 1980 ein. Bruno Stanjek, Alfred Feuster und ich traten für das Team GS Winnebago auf einem Renault 5 Alpine an und fuhren in unserer Klasse ganz weit vorne, bis Alfred ganz kurz vor Rennende auf der Döttinger Höhe ausfiel. Um so schöner war 1982, als wir mit dem Eichberg-Ford RS 2000 auf den 6. Gesamtrang nach vorne fuhren und am Schluss nur vier Runden Rückstand auf die Sieger Klaus Ludwig, Dieter Gartmann und Klaus Niedzwiedz in einem haushoch überlegenen Drei-Liter-V6-Capri hatten. Ich glaube, das war in all den Jahren mein bestes Resultat.“

Der ADAC Nordrhein ehrte Uwe Reich in diesem Jahr mit dem Sportabzeichen in Gold mit Brillanten und es war auch das letzte Mal, in dem das 24h-Rennen auf dem „alten Kurs“ gefahren wurde. Bereits wenige Wochen nach dem Rennen begann der Umbau der Strecke, der so lange dauerte, dass die Veranstaltung im Folgejahr ´83 zum dritten und bis heute letzten Mal ausfallen musste.


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Ab 1984 war der Rheinländer mit Toyota Celica, Audi 80 GTE, Renault 5 GT Turbo, Toyota Corolla, VW Golf Honda CRX und BMW 635i bzw. 325i in der Eifel unterwegs, wobei er oft gleich auf zwei Fahrzeugen nannte, denn er wollte ja wie schon in den Anfangsjahren „genug fahren können“. Mit dem Audi 70, den er sich mit zwei weiteren Mitgliedern des MSC Langenfeld teilte, gelang Reich sogar ein Klassendieg. Erwähnenswert aus dieser Zeit ist jedoch auch sein Start im Jahr 1989 auf einem Ex-Ringshausen-Ford Sierra für das Team Kloft Motorsport der Brüder Alfred und Manfred Kloft aus Gomaringen. Bei dem Cosworth 500, den Reich zusammen mit den Schweizern Toni Seiler und Charlie Grütter an den Start brachte, handelte es sich um das gleiche Fahrzeug, mit dem er zwei Jahre zuvor sogar drei Rennen zur Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) bestritten hatte. Aber wieder einmal spielte in der Eifel die Technik nicht mit, denn der Turbomotor des Ford mit der Startnummer 95 verendete leider am Sonntag Morgen gegen 4 Uhr in aussichtsreicher Position mit defekter Zylinderkopfdichtung.

An eine Reihe von denkwürdigen Ereignissen erinnert sich Uwe Reich, wenn er auf die 1990er-Jahre zurückblickt. „1992 teilte ich mir einen BMW 325i mit Edmund Gastes und Michael Ickenstein sowie einen VW Golf mit Heinz Stüber, Peter Reuter und Jürgen Konrad. In dem Jahr gab es die sogenannte 24-Stunden-Wasserschlacht, denn es hat dermaßen geregnet, dass die Strecke teilweise überflutet wurde und das Rennen abgebrochen werden musste. Sonntags Mittags hatte ich auch einen meiner kuriosesten Unfälle, denn in der vorletzten Runde überschlug ich mich in der vorletzten Runde mit dem Golf in der Schikane vor Start und Ziel. Glücklicherweise kam das Auto wieder auf den Rädern zum Stehen, also fuhr ich weiter und sah noch als Achter von 24 Teilnehmern in unserer Klasse die Zielflagge.“

Nur ein Jahr später - Uwe Reich pilotierte neben seinem VW Golf 16V zum ersten Mal einen Porsche Carrera RS, der allerdings bis auf die Sicherheitseinrichtungen komplett dem Serienfahrzeug entsprach - musste er seinen Teamkollegen Wido Rössler und Erwin Derichs erklären, wieso seine letzte Runde in der Nacht so langsam gewesen war: „Im Streckenabschnitt Schwedenkreuz musste ich eine Vollbremsung machen, weil plötzlich eine Rotte Wildschweine über die Fahrbahn lief.“ Der Golf GTI des Radio Köln Teams hingegen sah die schwarzweiß-karierte Flagge im Jahr 1993 nicht, denn Jürgen Konrad geriet an zweiter Position hinter dem Werks-BMW von Heger/Pirro/Duez/Ravaglia fahrend 25 Runden vor Schluss auf Slicks in einen Regenschauer und zerstörte das Auto beim Einschlag in die Leitplanken. „Lange Zeit hatten wir sogar in Führung gelegen, aber selbst der zweite Platz in der Klasse wäre bei 30 Startern ein Riesenerfolg gewesen“, ärgerten sich Stüber und Reich hinterher.

Die Aneinanderreihung von Topresultaten und Ausfällen zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte 24-Stunden-Geschichte des Rennfahreres Uwe Reich. Immer wieder wurden mögliche Klassensiege durch technische Defekte wie Motorschäden oder Feuer durch austretendes Getriebeöl verhindert, jedoch auch durch Fahrfehler der insgesamt drei oder vier auf den jeweiligen Autos genannten Piloten. „So ist das eben, wenn man sich mit mehreren Leuten ein Auto teilt“, gibt Uwe Reich ganz pragmatisch zu bedenken. „Es kann mir genau so wie jedem anderen passieren, dass man gleich im ersten Turn einen Unfall hat und die anderen im schlimmsten Fall gar nicht erst zum Fahren kommen.“ Noch heute ärgert sich der Steuerbrater jedoch über einige vermeidbare Pannen. „1985 zerstörte einer meiner Teamkollegen unseren BMW M3 völlig unbedrängt auf Platz drei in der Klasse liegend. Und 2002 verloren wir einen möglichen Sieg, weil einem Kollegen, dessen Name mir gerade entfallen ist, plötzlich schlecht wurde. Aber anstatt sich in seinen Helm zu übergeben, hielt er neben der Strecke an und fuhr dabei dummerweise mit dem Carrera GT3 RS so ungeschickt über die hohen Curbs, dass die Ölleitungen unter dem Auto abrissen. Durch die Reparatur verloren wir neun Runden, aber immerhin sorgte er damit für eine weitere Kuriosität in meiner 24h-Karriere, denn in dem Jahr fuhr ich mein 30. Rennen, unser Auto trug die Startnummer 30 und wir überquerten am Ende nach 30 Runden auf Gesamtrang 30 die Ziellinie.“


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Im Jahr 2003 erfüllte sich für Uwe Reich ein großer Wunsch, denn erstmals teilte er sich ein Auto mit seinem Sohn Marc-Uwe. Auf einem Renault Clio RS Cup des Duisburgers Robert Lünsmann erreichten Vater und Sohn nach 119 Runden den hervorragenden 38. Platz in der Gesamtwertung und verpassten als Vierte ihrer Klasse nur denkbar knapp das Siegerpodest. Auch in 2009 stand am Schluss das Kürzel „P4“ auf der Boxentafel, denn der BMW M3 von Ralf Schnitzler, Christian Caron, Herbert von Dornwitz und Uwe Reich hatte bei einer unplanmäßigen Reparatur in der Nacht zwei wertvolle Stunden verloren und damit alle Chancen auf ein Top Drei-Resultat vertan. Nur ungern denkt der Rheinländer an 2005 zurück: „Neben dem Lünsmann-Clio brachte ich in dem Jahr zusammen mit Karl-Christian Lück, Michael Prym und Klaus Abbelen einen der ehemals von Edgar Dören eingesetzten Porsche 996 GT3 an den Start. Ich kam bombig klar mit dem Gerät und wir wären sicher gut genug für eine Top 5-Platzierung in der Gesamtwertung gewesen, aber leider überdrehte einer meiner Mitstreiter schon nach etwas mehr als fünf Stunden den Motor, was für unerwartet frühes Ende sowie logischerweise lange Gesichter in unserer Box sorgte.“

Dennoch standen Reich auch oft genug das sprichwörtliche Rennglück sowie die tatkräftige Hilfe Dritter zur Seite. Einmal blieb der gebürtige Niedersachse mit einer gebrochenen Antriebswelle liegen und wollte gerade seinen ausrollenden Rennwagen am Streckenrand parken, als er von einem Fahrzeug der ONS-Staffel einen sanften Stoß aufs Heck bekam. Schnell erkannte er, was der ‚freundliche Helfer’ vorhatte, blieb im Auto sitzen und ließ sich fast eine halbe Runde lang um den Kurs ‚schubsen’, bis er schließlich die rettende Boxengasse erreichte. Gleich zwei Mal rollte sein Fahrzeug ohne Vortrieb mitten auf der Nordschleife aus, weil Fahrer und Team sich mit dem Kraftstoffverbrauch vertan hatten. „Glücklicherweise findet man dann am Streckenrand immer rein zufällig einen vollen Benzinkanister“, grinst er und schickt an dieser Stelle ein großes Dankeschön an die vielen treuen Fans.

„Insgesamt betrachtet bin trotz aller Misserfolge sehr zufrieden und habe es trotz aller Anstrengungen und nicht zuletzt auch trotz des enormen finanziellen Aufwandes, den ich nur dank meiner treuen Sponsoren betreiben konnte, nie bereut, bei den 24h-Rennen des ADAC Nordrhein dabei gewesen zu sein. Ich habe besonders am Nürburgring eine tolle Zeit erlebt und in den Reihen der Fahrer und Organisatoren einige echte Freunde gewonnen. Manchmal habe ich mit den sprichwörtlichen Messer zwischen den Zähnen um Positionen gekämpft, aber ich bin auch zwei Mal zusammen mit meinem Kollegen Wolfgang Förster für die Aktion Mensch gefahren und gemeinsam haben wir eine Menge ‚Heiermänner’ an Spendengeldern für den guten Zweck gesammelt“, so der 71-jährige Routinier.

„Überhaupt hatte ich bei all meinen Unfällen immer ein Riesenglück. Einmal stand mein Renault plötzlich lichterloh in Flammen und ich bekam die Tür nicht auf. Da bin ich schnell nach hinten geklettert und durch die Heckklappe ausgestiegen. In all den Jahren habe ich selbst bei spektakulären Crashes nie mehr als ein paar blaue Flecke davongetragen und ich hoffe, dass dies auch bei meinem 40. Start so bleiben wird. Es hat sich ja schon eine Menge verändert seit 1970. Früher konnte man auch mit einem seriennahen Auto einigermaßen im Feld mitschwimmen, aber heute sind GT-Sportwagen dabei, die mit mehr als 100 km/h Überschuss von hinten angerast kommen. Da muss man selbst mit einem BMW M3 ständig in alle drei Rückspiegel schauen.“


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Ob das 40. Int. ADAC 24h-Rennen auch das letzte für Uwe Reich sein wird, will der Renn-Oldie im Moment noch nicht verraten. Aber einen Rekord für die Ewigkeit hat er schon jetzt erreicht, denn diese Anzahl von Starts bei der international größten Motorsport-Veranstaltung auf der zugleich schönsten, längsten und anspruchsvollsten Rennstrecke der Welt wird sicher keinem anderen Rennfahrer jemals mehr gelingen.

Farid Wagner